Das Ende der Angst? (arte -Doku über Trauma-Behandlung)




Das Ende der Angst? (arte -Doku über Trauma-Behandlung)

Beitragvon Kiki86 » Sa 28. Mai 2011, 10:26

Hallo Foris!
Habt ihr gestern die Reportage auf arte gesehen?
Als ich den Anfang sah, dachte ich: Oje, die machen sowas wie Mind Control in Göttingen.
Aber es bleibt auch ein Abwägen von Pro&Contra, da Erkenntnisse so und so genutzt werden können.
Ebenso bleibt bei mir der Eindruck, dass die Forschung zur PTBS-Behandlung nur durchs Militär lukrativ wird und überhaupt voran kommt. Und gerade da liegt die Hemmschwelle zur Manipulation niedrig (und interessengesteuertes Einsetzen ohne moralisch-ethische Bedenken).
Fände eine Diskussion über den Dokuinhalt interessant.
Wusste z.B. nichts von dem Einsatz von Betablockern.
Deshalb stelle ich den Link auch hier rein. Denn obwohl frühkindliche Komplextraumatisierung mit keinem Wort im Beitrag erwähnt wird ( :verärgert ) frage ich mich, was da wohl möglich wäre hinsichtlich Einnahme von Propranolol vor Traumakonfrontation.
Andererseits widerspricht sich da selbst die Reportage: Erinnerungen sind nicht komplett "an einem Ort" im Gehirn gespeichert und daher auch nicht mit allen Sinnen gleichzeitig abrufbar,wenn die Amygdala beim Erleben überflutet war -> wie soll man also bei der Rekonsolidierung jedes Detail notieren können?
Also ist ja abgespalten und nicht alles einheitlich plötzlich "da" wenn mans aufschreiben soll.. :frage

Link sicherlich nur ein paar Tage aufrufbar..
Viele Grüße,
Kiki


Link: :arrow: http://videos.arte.tv/de/videos/das_end ... 23782.html
Das Ende der Angst?Wie schön wäre es, man könnte quälende Erinnerungen einfach und endgültig löschen. Was nach Science-Fiction klingt, könnte schon bald Realität sein. Ein Hoffnungsschimmer für traumatisierte Menschen - wie Robert Müller, der als Soldat das Grauen des Krieges erlebte, Joel Coutu aus Kanada, der Oper eines bewaffneten Raubüberfalls wurde, und Sonja Merkhoffer, die den Tod ihres Vaters nicht verkraftet. Oder ist das ein gefährlicher Weg für die Gesellschaft?
Die Dokumentation berichtet von neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen in der Hirnforschung. So hat André Fischer am European Neuroscience Institut in Göttingen ein Enzym entdeckt, das für die Speicherung der Angst im Langzeitgedächtnis verantwortlich ist. Und in Kanada soll ein einfaches Medikament Menschen von traumatischen Erinnerungen befreien. Der Psychologe Alain Brunet führt dazu eine klinische Studie durch. In München dagegen verfolgt man eine Traumatherapie durch einfache Augenbewegungen, Eye Movement Desensitization and Reprocessing, kurz EMDR. Gemeinsam ist diesen Therapien, dass die ursprünglich negative Erinnerung manipuliert und die Menschen von ihren qualvollen Erinnerungen befreit werden sollen.
Ganz anders geht es Sabine Lindner. Seit über zehn Jahren leidet sie unter Amnesie, einem totalen Gedächtnisverlust. Dadurch fühlt sie sich nicht als ganze Persönlichkeit. Spezifische neurologische Untersuchungen im Gehirn sollen zeigen, wie der Organismus es selbst schafft, unangenehme Erinnerungen zu blockieren und somit seinen eigenen Schutzschild aufzubauen. Werden Neurowissenschaftler jetzt die Löschtaste im Gehirn finden? Und welche Konsequenzen hat es, wenn Erinnerungen einfach gelöscht werden können wie Daten auf einer Festplatte?
Die Dokumentation bewegt sich in der Spannbreite zwischen Trauma und Amnesie, dem Wunsch nach Vergessen und der Bedeutung von Erinnerungen. Und sie stellt die Frage: Wohin führen die aktuellen Erkenntnisse auf dem Gebiet der Hirnforschung?
Kiki86
 

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Re: Das Ende der Angst? (arte -Doku über Trauma-Behandlung)

Beitragvon tanzendefedern » Sa 28. Mai 2011, 15:00

Wir haben die Doku gestern abend auch gesehen. Allerdings waren wir nicht mehr so ganz wach... Vieles, was heute in der Trauma-Therapie gemacht wird, hat seine Ursprünge in der Behandlung von traumatisierten Soldaten, beispielsweise das EMDR oder die vielen Experimente mit Medikamenten/Drogen im 2. Weltkrieg, Vietnamkrieg oder den Einsätzen im nahen Osten.
Ebenso wie es ja auch Experimente mit dem gezielten Heranzüchten von Menschen mit DIS in Russland und den USA zu Zeiten des kalten Krieges... Aber das ist ein anderes Thema.

Wir denken, dass es bei den militärischen Experten noch ganz andere Ergebnisse über Hirnstrukturen, Neurophysiologie und "Behandlung" von akuter und chronischer Traumatisierung vorliegen. Allein die gegenwärtige Diskussion, mittels EMDR Trauma-PatientInnen in nur maximal 20 Sitzungen zu "heilen" - so wird das bei den Bundeswehr-Therapeuten vertreten, kann sich negativ auf unser Gesundheitssystem auswirken.
Experimente mit diversen Stoffen zur "physiologischen" Verarbeitung von traumatischen Erinnerungen schwappen immer mal wieder an die Öffentlichkeit; so wie auch die zunehmende Behandlung mit E-Schocks. In den USA gibt es auch Behandlungen bei DIS mit Naltrexon, was auch hier im off-label-use bei BPS (Borderline Persönlichkeitsstörung) möglich ist.

Hach, es wäre so schön, wenn es - wenigstens für akut-Traumatisierungen - so etwas wie "eine Pille danach" gäbe... Aber, ob es jemals möglich sein wird, langdauernde Traumatisierungen, die bereits viele Jahre zurückliegen, (ausschließlich) mit Medis positiv zu beeinflussen, ohne erheblich in die Persönlichkeitsstruktur einzugreifen, das halten wir (derzeit) für utopisch. Wie ihr schon geschrieben habt, Kiki, sind bei komplex-dissoziierten Erinnerungen die Erlebnisse zu sehr verstreut, als dass man durch tiefenelektronische Stimulation oder mit Bewusstseinsverändernden Medis die Erinnerungen zusammenfügen könnte. Löschen ist sicher möglich - aber dann wären auch viele Teile des biographischen Gedächtnissen betroffen. Das weiß man von SchlaganfallpatientInnen mit entsprechenden Infarkten.

Was die Gabe von entsprechenden Medis vor Trauma-Konfros betrifft, war es in den Neunzigern in den USA üblich, bei der Behandlung von DIS-PatientInnen Natrium-Pentothal i.v. zu geben, damit die Erinnerungen klarer werden. In Deutschland ist das (außer in Bundeswehr-Kliniken bei Soldaten) nicht erlaubt; experimentiert wurde, aber es muss immer zuvor durch den Ethikrat des Krankenhauses abgenickt werden.

Die Neurophysiologie finden wir sehr, sehr spannend! Hätten wir früher gewusst, dass man Neuropsychologie studieren kann, wäre das unser Traumstudium gewesen.

Wir sind da auf dem "alternativen" Therapeutischem Weg der Trauma-Integration: Trauma-Konfrontation, Nachbereitung und Integration der Erinnerungen. Das ist mega-hardcore. Als chemisches Hilfsmittel können wir Ritalin nutzen. Sehen das als eine Krücke, die wir in den letzten drei Jahren vielleicht über insgesamt 5 Monate genutzt haben. Bei uns wirkt es so, dass wir dann uns besser sortieren können. Haben aber gehörigen Respekt davor. Eben weil es so gut wirkt.

Aber wir werden den Link mal an eine Forscherin schicken - mal hören, was sie davon hält.

Liebe Grüße
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Re: Das Ende der Angst? (arte -Doku über Trauma-Behandlung)

Beitragvon eiskristalle » Sa 28. Mai 2011, 17:47

ich habs nicht gesehen.
aber wenn ich die zusammenfassung lese, kommt mir wieder das ganze unbehagen hoch, was ich so habe, wenn ich diese ganzen manipulationstechniken lese. ob es nun darum geht, die erinnerungen mit medis zu löschen, oder mit emdr zugänglich zu machen.
wir sind mit psychischen manipulationen aufgewachsen. wir lehnen das auch als sogenannte besserungsmöglichkeiten ab.

die betablocker werden ja teilweise gegen hohen blutdruck verschrieben. und viele traumatisierte befinden sich in einem ständigen inneren alarmzustand, der auf dauer zu hohen blutdruck begünstigt. (nennt sich hyperarousal)
da kann ich mir noch vorstellen, dass das damit zusammenhängt.

Allein die gegenwärtige Diskussion, mittels EMDR Trauma-PatientInnen in nur maximal 20 Sitzungen zu "heilen" - so wird das bei den Bundeswehr-Therapeuten vertreten, kann sich negativ auf unser Gesundheitssystem auswirken.

ja, das dachte ich auch, als ich das erste mal davon hörte.
ein glück klappt das bei unsern augen sowieso nicht, von daher, ist da bei uns nie jemand auf diese idee gekommen.
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Re: Das Ende der Angst? (arte -Doku über Trauma-Behandlung)

Beitragvon tanzendefedern » Sa 28. Mai 2011, 18:29

eiskristalle hat geschrieben:ein glück klappt das bei unsern augen sowieso nicht, von daher, ist da bei uns nie jemand auf diese idee gekommen.


Mit der "Winke-Winke-Technik" können wir auch nicht; wenn auch aus anderen Gründen... Wenn aber die Thera im Rahmen der Trauma-Exposition phasenweise das Reden mit dem EMDR-Tapping - also Berührungen - begleitet, erleben wir das schon unterstützend.
Zum Glück haben wir bisher (mit nur einer Ausnahme) es nicht erlebt, dass eine Thera gegen unseren Willen mit entsprechenden Verfahren Zugang zum inneren Erleben bekommen kann. Das ist nämlich das, was wir in keinem Falle wollen. Als die eine Thera das so "nebenbei" mal gemacht hat, waren wir sehr erschreckt über diese Möglichkeit. Aber das ist eine andere Geschichte.

Auch wenn das alles schwer zu verarbeiten ist, sind wir dennoch erleichtert, diesen Schritt zu wagen/gewagt zu haben. Letztendlich sollte das jedeR für sich selber entscheiden wollen/können, wie die (therapeutische) Begleitung aussehen soll.

Zu den Betablockern: Die dürfen auch in Deutschland bei Angst- und Panikstörungen verschrieben werden. Was wir in diesem Rahmen sehr spannend finden, ist, dass neuerdings (gibt noch keine Veröffentlichungen, so frisch sind die Erkenntnisse aus Montreal!) die Herzschlagvarianz als Indikator für Stress angesehen wird! Sympatikus und Parasympatikus sind oft bei Menschen mit chronischer PTBS und DIS aus dem Gleichgewicht; hier mit entsprechenden Stimulanzien (wozu Betablocker gehören) zu arbeiten, kann somit natürlich einiges ändern.
Grad wenn man bedenkt, dass Schlafstörungen, Essstörungen, Angst-, Panik- oder Zwangserkrankungen als Folge gesehen werden...

LG
federn
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Re: Das Ende der Angst? (arte -Doku über Trauma-Behandlung)

Beitragvon Kiki86 » So 29. Mai 2011, 12:52

hallo! danke für eure beiträge, eiskristalle&federn!
ja, beta-blocker haben wir auch nur kennengelernt für hohen RR als Indikation. aber wenn man erfährt, dass es den adrenalinspiegel im körper runterfahren soll, klingt es plausibel (wir sind auch nicht wirklich entspannungsfähig, immer angespannte muskeln).

also ich finde einfach schade, dass im bericht nicht darauf eingegangen wurde, was der typ in kanada macht, wenn der probant/patient bei der rekonsilidierung nichts mehr / nicht alles zu papier bringt. und was passiert, wenn das nicht bemerkt wurde, dass "das nciht alles war" und der rest des traumas abgespalten auftritt -> ist es dann noch schwerer, diesen isolierten anteil nochmal in einer sitzung zu "entschärfen", weil die (emotionale)verbindung zur biografischen geschichte des 1.settings verloren gegangen ist?
funktioniert es generell überhaupt bei persönlichkeitsabspaltungen? funktioniert sein vorgehen überhaupt bei mehrfachtraumata? bei frühkindlichen erfahrungen?

und noch beängstigender finde ich die aussage, dass man ja zukünftig in 1 oder 20 sitzungen den patient von seinem trauma heilen könne.
das bringt großen druck. vorallem ggü.kostenträger ein verlängerung zu rechtfertigen. wer kennt schon von den kostenträgern die unterscheidung zwischen mono- & komplextrauma?! und individuellen gegebenheiten wie abhandensein jeglicher hilfreicher personen bei kindheitstrauma.


*
*
potentiell triggernd
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ja...und dem militär und (verborgenem) staat traue ich alles zu, wissen für seine zwecke zu nutzen.
das moralische dilemma quält ja oft auch die forscher, siehe alfred nobel.
(off-topic: auch k.o.-tropfen wurden nicht dazu entwickelt, um den willenlosen zustand auszunutzen..oder!?)
ja, eiskristalle, macht uns auch viel angst sowas. kann beruflich auch zukünftig keinen arbeitsplatz mehr wählen, bei dem mit propofol und anderen kurzzeitseditativa gearbeitet wird. den patienten geschah nichts bei uns, aber sie so zu sehen, triggerte massiv und sorgte immer wieder für switches.

federn, was ist ritalin?

würde schon gern was gg.die permanente anspannung tun, weil auch diverse schmerzmedikamente erfolglos ausprobiert,auch globulis und muskelrelaxantien mir bisher verweigert wurden. da überlege ich schon, ob ich mal nach propranolol frage. aber könnte ja auch bei regelmäßiger einnahme noch niedrigeren blutdruck bringen.. :keule :keineidee

ja bevor ich :sehesterne mach ich erst mal schluss. viele grüße!
Kiki86
 

Re: Das Ende der Angst? (arte -Doku über Trauma-Behandlung)

Beitragvon eiskristalle » Do 9. Jun 2011, 18:19

ritalin wird in der behandlung von adhs-kindern benutzt und ist umstritten.
http://de.wikipedia.org/wiki/Methylphenidat
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