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Geschichtlicher Hintergrund von Trauma und Dissoziation, Definitionen,
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Einführung Psychotraumatologie

Fr 18. Mai 2007, 18:17

39. Kongress der Ärztekammer Nordwürttemberg
vom 30. Januar bis zum 1. Februar 2004 in Stuttgart
A 10



Psychotraumatologie
Dr. med. H. W. Gierlichs, Aachen



Ein seelisches Trauma entsteht durch ein vitales Diskrepanzerleben zwischen einer bedrohlichen Situation und den individuellen Bewältigungsmöglichkeiten, das ein Gefühl von Hilflosigkeit
und schutzloser Preisgabe erzeugt und zu einer dauerhaften Erschütterung des Selbst- und Weltverständnisses führt (G. Fischer). Durch Menschen verursachte und langanhaltende
Traumatisierungen führen in der Regel zu besonders schweren Folgen für unser Weltvertrauen.
Traumatische Ereignisse führen zu neurobiologischen Veränderungen. Die Überflutung das Gehirn mit Reizen bewirkt Blockaden der Informationsverarbeitung im Sinne eines Schutzreflexes.
Hierdurch wird die Gedächtnisleistung gestört. Traumatische Ereignisse führen zu komplexen psychischen Störungen. Vor allem soziale menschengemachte Traumatisierungen führen zu einem langfristigem grundlegendem Entzug der Vertrauensbasis in das Leben.
Menschen, die oft über längere Zeit intensive unerträgliche Angst, Hilflosigkeit und Entsetzen ohne Aussicht auf Hilfe und ohne die Möglichkeit, sich zu verteidigen oder zu fliehen, erlebt haben, zeigen vielfältige Störungen.
Bekannt ist die deskriptiv und statisch definierte Posttraumatische Belastungsstörung, sie beschreibt Übererregung, Schlafstörungen, andauerndes Wiedererleben (Intrusionen), Vermeiden
von Triggern und Taubheit. Weitere Störungen sind Ängste, Depressionen, körperliche Störungen und Suchterkrankungen, bei Kindern/Jugendlichen vor allem dissoziative Prozesse, Verhaltensstörungen, Aggressivität und Konzentrationsstörungen. Tiefer greifende, längerfristige traumatisierende Erfahrungen führen zu komplexeren Störungen mit Namen
wie komplexe PTSD, DESNOS, erlebnisreaktiver Persönlichkeitswandel oder andauernde Persönlichkeitsstörung nach Extrembelastung (ICD 10). Den Traumaprozess beschreiben
Verlaufsmodelle als Zusammenwirken von traumatischer Schädigung und versuchter Kompensation. Masud Khan beschrieb bereits 1963 die kumulative-, Keilson 1979 die sequentielle Traumatisierung. Prozessfaktoren sind die Ereignisse selbst, ihre Vorhersagbarkeit,
Ursache, Dauer und Schwere, Vorerfahrungen („Retraumatisierung“), soziales Umfeld und hinzukommende Lebensereignisse.
Die Erkrankungsrate beträgt bei Technik- oder Naturereignissen 0 bis 30 Prozent, bei man made desaster 40 bis 99 Prozent. Die „Heilungsraten“ von Unfallopfern liegen bei 30 Prozent nach einem Jahr und 90 Prozent nach zehn Jahren (Kessler), komplexe langfristige Traumatisierungen
lassen sich nicht heilen, sondern nur stabilisieren, die Menschen bleiben vulnerabel.
Ein wichtiger psychodynamischer Faktor der Erkrankungen ist die Introjektion der Täter, die sich in Selbsthass und Selbstdestruktion äußert. Therapeutisch wird schulenübergreifend zunächst stabilisiert, es werden Kompetenzen gefördert und Ressourcen aktiviert, bevor die
Verletzungen bearbeitet und danach ihre Integration versucht wird.



Quelle:http://www.aerztekammer-bw.de/25/15medizin04/A10/0.pdf

Fr 18. Mai 2007, 18:17

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