von Sina » Sa 19. Jan 2008, 19:44
Hi Ihr,
ich finds echt traurig, wenn diskutiert wird, ob es die MPS/DIS gibt oder nicht...
Es scheint ja doch eine Menge Menschen zu geben, die einfach wissen, dass sie viele sind...
Die Frage ist doch nicht, ob es diese "Störung"/ Behinderung (wir sind schließlich nicht krank!!! Oder irre, sondern durch verschiedene umstände lediglich am "normalen" Leben be-, bez. verhindert)
Die Frage ist doch eher, welche Diskussion verhindern wir, wenn wir über die mögliche Existenz einer Diagnose reden???
Vielleicht ist die Frage auch viel eher - wenn des die DIS gibt, was ist dann mit den Tätern - ich kann mich nicht daran erinnern, dass hier mal jemand wegen rituellem Missbrauch verurteilt worden wäre... Oder, es ist schon komisch, wenn ich hier in den Nachrichten höre, dass der Oberste Richter vom Sozialgericht in Lüneburg Kinderpornos auf seinem Rechner hatte und suspendiert wurde... Man sollte mal fragen wo die Täter eigentlich sitzen und wer dann die Diskussion hinsichtlich einer solchen Diagnose überhaupt anschiebt...
Vielleicht könnte man auch fragen, was mit den Opfern ist... wie müsste Therapie eigentlich aussehen und welche Kosten entstehen... Immerhin bin ich gerade in einem langwierigen Prozess nach dem OHG, woraufhin die vor dem Problem stehen, was eigentlich passiert, wenn allein die Diagnose DIS zu einem Anspruch auf Leistungen nach dem OHG führt - bei mir diskutieren sie jetzt nämlich auch die Frage, ob ich denn wirklich "krank" bin, oder nur was spiele. Das Problem ist, dass es hier nicht um 1000 geht. Es geht um Milliarden, laut meinem Anwalt. Es geht um tausende von Menschen, die größtenteils eine lebenslange Rente von 1500/laut Liste bekommen müssten. Solche Summen wurden zwar gesetzlich beschlossen, da ahnte man allerdings noch nicht, welche Folgen das haben würde. Heute versucht man einfach jede Klage abzuwehren. Denn ehrlich gesagt kann sich keiner diese Folgen der Misshandlungen leisten... Was ist einfacher, als dieses Problem als solches einfach wegzudiskutieren???
Ehrlicher wäre es gewesen zu sagen, dass man Multiplen generell nichts gibt, weil es zu viele Betroffene sind und die zuviel Leid erlebt haben, als dass sich jemand ihre Unterstützung noch leisten könnte... Harz IV ist erheblich billiger...
Vielleicht müsste man auch fragen, was das eigentlich für die Reha - Maßnahmen bedeutet... Ich selbst bin mit 21 in eine Regelschule zusammen mit 16 Jährigen eingeschult worden. Bis nicht durch einen Fehler im Sekretariat heraus kam, wie alt ich wirklich bin, hatte das auch keiner bemerkt...
Ich hatte Glück - coole Lehrer, coole Schule... ABER, wie viele Betroffene konnten eigentlich ihre Schule zuende bringen? Und was bedeutet es eigentlich jemanden wieder ins Leben zu integrieren, der Multiple ist? Ich hatte zwei Lehrer, die sich intensiv um mich bemüht haben und mir die Möglichkeit eröffneten Abitur zu machen... Ich habe die Prüfung geschafft, weil es Lehrer gab, die mir jede Pause halfen in der Schule zu bleiben, die in den Prüfungen selbst mich ansprachen, wenn ich abwesend wirkte und, die mir eine Kerze, Kekse und etwas zu trinken in die Prüfung stellten, die mich behandelten, wie ihre eigene Tochter, die sie ganz dolle umsorgen müssen. Ich fand so viel Geborgenheit und Zuwendung auch in der Schule, so viel Unterstützung, dass ich es geschafft habe. ABER, ich war ein "Einzelfall", was ist, wenn es plötzlich 1000 Einzelfälle gibt. Ich war auf einer Gesamtschule und weiß, dass jedes normale Gymnasium hiermit total überfordert ist - BBS und Abendschule kann man eh knicken...
Und was heißt es eigentlich für die Gesellschaft, wenn man plötzlich akzeptiert, dass es Menschen gibt, die plötzlich wie kleine Kinder sind. Dass es Menschen gibt, die ihr Leben im Chaos meistern müssen - wo doch schon der depressive Manager ein potentielles Risiko darstellt, was heißt es dann erst Menschen um sich herum zu akzeptieren und erst zu nehmen, die sich so unverständlich verhalten. In den Staaten, da werden "Behinderte" in Regelschulen (in Extraklassen) integriert... Hier gibt es extra Schulen. WIr haben eine lange Geschichte der Ausgrenzung andersartiger Menschen. Zur Zeit der NAZIS hat man sie einfach vergast.
Was ist sagen will ist, die Diagnose DIS als solche zu akzeptieren bringt diese Gesellschaft und die in ihr wirkenden Machthaber an ihre Grenzen und würde sehr vieles von dem, was derzeit passiert in Frage stellen. Es ist hier nur so wie immer - Nicht der, der den Missbr***ch verübt wird gesellschaftlich verächtet, sondern der, der ihn zur Anzeige bringt...
Und so halte ich es für wenig sinnvoll auf der Ebende derjenigen zu diskutieren, die ein Problem mit der DIS haben. Ich glaube, es wäre viel wichtiger eine eigene Lobby zu bilden, die mächtiger ist, als jene der Gegner.
Ein Freund von mir sagte mal eines: Anja, was meinst Du, warum jede Gruppe von Behinderten einen eigenen Interessenverband hat???
Na ist doch klar, einzeln und für sich isoliert sind diese Interessenverbände nur der Sand im Getriebe. ABER, Deutschland hat ca. 10% behinderte Menschen. Würden all diese sich zusammenschließen, dann müsste sich hier einiges verändern...
Es gibt sehr viele sehr mächtige Menschen, die sehr viel davon halten, wenn Menschen wie wir beschäftigt sind. Und man verfährt rein nach dem biblischen Motto "wehret den Anfängen"....
Tatsache ist, dass es sehr viele Menschen gibt, für die es wichtig ist zu sehen, dass es andere gibt, die leiden und die ihr Leben nicht auf die Reihe bekommen. Die Gründe hierfür sind vielfältig.
Interessant ist doch nur zu erkennen, dass wir uns nicht verletzen und verunsichern lassen dürfen durch die Menschen, die sagen unsere Probleme, die gäbe es nicht...
Wir jedenfalls haben einen Behindertenverein gegründet, der neue Wege in Sachen Integration geht...
Aktion Mensch hat eine schöne Webung. Die sagen im Fernsehen immer, dass man sich vorstellen soll, wie die Welt aussehen soll, in der wir leben wollen!!!