So 23. Dez 2007, 01:46
Also ich habe vor ein paar Tagen den besagten Text des Eingangspostings auf der Internetseite mit dem Artikel
"Die DIS-Kontroverse" gefunden. Ich weiss nicht, ob schaefchen den Text von dort haben, aber falls ja, hätte ich es auch gut / besser gefunden, wenn sie ihn nicht aus dem Zusammenhang rausgerissen hätten. Dort geht der Text nämlich folgendermassen weiter (!!):
"In einem umfassend recherchierten Review nimmt Gleaves (Gleaves, D.H. (1996). The sociocognitive model of dissociative identity disorder: A reexamination of the evidence. Psychological Bulletin, 120, 42 - 59.) zu diesen Grundannahmen Stellung und kommt zu dem Schluss, dass sie vor dem Hintergrund zahlreicher empirischer Untersuchungen nicht haltbar sind:
Als Beweis für die Iatrogenese-Hypothese werden von VertreterInnen des SKM Laborstudien zur "Erzeugung" von DIS-Symptomen sowie Hypnose- und Rollenspiel-Experimente angeführt, in denen gezeigt wurde, dass mit entsprechenden Techniken zeitweilig einzelne Anzeichen einer DIS hervorgerufen werden konnten. Bislang gibt es jedoch keine empirische Untersuchung, in der belegt werden konnte, dass das gesamte komplexe klinische Erscheinungsbild einer schweren Dissoziativen Störung (Vorliegen mehrerer autonom agierender Persönlichkeitsanteile mit unterschiedlichem, jeweils konsistent präsentiertem Identitätserleben, persönlicher "Lebensgeschichte" etc., schwere Amnesien im Alltagserleben, schwere Depersonalisationen, Derealisationen, Identitätsunsicherheit; massive nicht-dissoziative Begleitsymptomatik etc.) durch Suggestion hervorgerufen und über einen längeren Zeitraum aufrecht erhalten werden konnte. Multiple Identity Enactment kann angesichts der vorliegenden Studienergebnisse nicht mit dem komplexen Störungsbild der DIS gleichgesetzt werden (Gleaves, 1996).
Entgegen den Annahmen des SKM wurden in entsprechenden Studien bei DIS-PatientInnen nicht mehr histrionische Verhaltensweisen bzw. Persönlichkeitsstörungen gefunden als bei andere PatientInnengruppen.
Auch die Annahme, dass DIS-PatientInnen in Aufmerksamkeit suchender Art und Weise auftreten und im klinischen Kontakt ihre unterschiedlichen Identitäten auffällig präsentieren, steht im Widerspruch zu der klinischen Erfahrung erfahrener Trauma-TherapeutInnen. Anstatt eines offen multiplen Auftretens versucht ein Großteil der hoch-dissoziativen PatientInnen eher, seine dissoziativen Symptome so weit wie möglich zu verstecken. Abweichend davon gibt es wie wohl bei jeder PatientInnengruppe gewissen Prozentsatz von PatientInnen mit dissoziativen Symptomen, die vorliegende Symptome in aufmerksamkeitssuchender Art ausschmücken und bei denen das Risiko falsch-positiver Diagnosen besteht. Dies trifft jedoch nur auf einen geringen Prozentsatz der hoch-dissoziativen PatientInnen zu und entsprechende PatientInnen lassen sich in einer sorgfältigen Diagnostik durch qualitative Unterschiede in den Symptombeschreibungen sicher von PatientInnen mit "echter" DIS abgrenzen.
Die Annahme, dass DIS-Symptome erst durch die üblichen Diagnose- und Behandlungstechniken iatrogen hervorgerufen und im weiteren Verlauf verschlechtert bzw. verfestigt werden, steht im Widerspruch zu der gängigen klinischen Praxis und den Diagnose- und Behandlungsrichtlinien der ISSD für PatientInnen mit (Verdacht auf) schwere Dissoziative Störungen. Durch den heute üblichen Einsatz standardisierter Messinstrumente wurde die Validität und Reliabilität der Diagnostik erheblich verbessert und übliche Diagnose-Instrumente wie das SCID-D bzw. der DDIS (vgl. Kap. 2.9) vermeiden jegliche Form von Suggestiv-Fragen. Die im Rahmen des SKM beschriebene Haupt-"Behandlungsmethode", DIS-PatientInnen dazu zu ermutigen und darin zu bestärken, die verschiedenen Persönlichkeitsanteile möglichst stark zu separieren und nach außen auszuleben, entspricht nicht dem state of the art der Dissoziations-Therapie. Erklärtes Therapieziel einer modernen DIS-Behandlung ist die zunehmende Kooperation und Integration der dissoziierten Persönlichkeitsanteile.
VertreterInnen des SKM stellen schließlich einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Kindheitstraumatisierungen und späterer DIS, wie er nach dem PTM angenommen wird, grundsätzlich in Frage. Diese Annahme wird durch zahlreiche retrospektive und die wenigen bis heute vorliegenden prospektiven Studien zum Zusammenhang zwischen Trauma und Dissoziation widerlegt. In praktisch allen Studien konnte ein stabiler korrelativer Zusammenhang zwischen schweren dissoziativen Symptomen und Kindheitstraumata nachgewiesen werden. Zudem weisen viele DIS-Patienten posttraumatische Symptome wie z.B. Flashbacks auf. Die PTB gilt als spezifische Folge traumatischer Erlebnisse. Die hohe Prävalenz der Störung bei hoch-dissoziativen PatientInnen kann daher als indirekter Hinweis auf das Vorliegen von Traumatisierungen und damit implizit auch als indirekte Bestätigung des PTM gewertet werden.
Die vorliegenden Forschungsergebnisse lassen sich nicht als "endgültigen Beweis" für das PTM werten. Hierfür wären Längsschnittstudien mit schwer traumatisierten vs. nicht traumatisierten Kindern notwendig, in denen die Entwicklung der dissoziativen Symptomatik bei den traumatisierten Kindern im Extremfall bis hin zur Ausbildung des Vollbildes einer DIS beobachtend verfolgt werden müsste. Dies verbietet sich schon allein aus ethischen Gründen.
Die vorliegenden Forschungsergebnisse belegen jedoch einen stabilen positiven Zusammenhang zwischen Kindheitstraumata und späteren dissoziativen Symptomen und vorliegende externe Belege für den Wahrheitsgehalt der Traumaerinnerungen vieler DIS-PatientInnen stützen die Grundannahmen des PTM zusätzlich.
Allerdings gibt es auch unter PatientInnen mit schweren dissoziativen Symptomen einen gewissen Prozentsatz an PatientInnen, die Anzeichen einer (zumeist eher unbewusst) nachgeahmten DIS zeigen und auf die manche der oben genannten Annahmen des SKM zutreffen können. Der Anteil dieser PatientInnen an der Gesamtgruppe hoch-dissoziativer PatientInnen ist jedoch gering und die Symptomatik kann bei einer genauen differentialdiagnostischen Untersuchung von der einer echten DIS abgegrenzt werden."
Ich frage mich, wieso diese Fortsetzung des besagten Textes allenfalls weggelassen wurde?? :sperm:
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